Im buddhistischen Verständnis ist das menschliche Leben von Unzufriedenheit und Leiden durchzogen. Dieses Leid zeigt sich besonders deutlich in den unvermeidlichen Erfahrungen von Geburt, Krankheit, Alter und Tod. Diese vier Phasen gelten als natürliche Bestandteile des menschlichen Daseins und erinnern daran, wie flüchtig und vergänglich unser Leben ist.
Im Verständnis der Natur des Lebens und des Leidens liegen tiefes Glück und echte Freude.
Dennoch führt das Bewusstsein über das Leid nicht dazu, dass Buddhisten ständig leiden und traurig sind. Vielmehr ermöglicht es, die Natur des Lebens und das Leiden zu erkennen und anzunehmen. Diese Einsicht kann zu innerem Frieden und Glück führen, weil sie den Geist von Anhaftungen und falschen Erwartungen befreit und zu einem tieferen Verständnis und Mitgefühl führt.
1. Das Leid der Geburt
Die Geburt wird im Buddhismus nicht nur als Anfang des Lebens gesehen, sondern auch als erster Schritt ins Leid. Schon im Mutterleib erfährt der Fötus Unbehagen und Schmerz. Ob durch die Bewegung oder Nahrung der Mutter, empfindet das Ungeborene Hitze, Kälte und Enge, wie ein Gefangener in einem dunklen Raum. Die Geburt selbst ist für Mutter und Kind ein physischer Kraftakt. Der Fötus wird durch das Becken der Mutter gepresst, was als extreme körperliche Belastung beschrieben wird. Nach der Geburt leidet das Neugeborene an äußeren Einflüssen, wie dem ungewohnten Kontakt mit der Außenwelt und der ständigen Abhängigkeit von anderen.
2. Das Leid des Alters
Im Alter zeigt sich das Leiden durch den körperlichen und geistigen Verfall. Fähigkeiten, die früher selbstverständlich waren, schwinden mit der Zeit. Sehkraft und Gehör lassen nach, das Gedächtnis wird schwächer, und der Körper verliert an Stärke und Beweglichkeit. Die einst so lebendige Haut wird faltig und die Gelenke schmerzen bei jeder Bewegung. Alte Menschen leiden oft auch unter dem Gefühl, von anderen nicht mehr wahrgenommen oder geschätzt zu werden, was zu Isolation und Traurigkeit führt. Die körperlichen Beschwerden und die damit verbundene Hilflosigkeit verstärken dieses Leid und erinnern daran, wie zerbrechlich der menschliche Körper ist.
3. Das Leid der Krankheit
Krankheit kann unabhängig vom Alter und jederzeit auftreten. Schon die ersten Anzeichen einer Krankheit, sei es eine einfache Erkältung oder eine ernsthafte Erkrankung, werfen den Menschen aus der Bahn. Plötzlich fällt jede Bewegung schwer, das Bett wird zur einzigen Zuflucht, und das Essen verliert seinen Geschmack. Neben körperlichen Schmerzen belastet die Krankheit auch mental. Die Angst vor einer Verschlechterung oder gar vor dem Tod begleitet viele Menschen und verstärkt das Leiden. Einige Erkrankungen isolieren die Betroffenen, da Menschen mit bestimmten Krankheiten von anderen gemieden werden, was zusätzlich zur körperlichen auch eine soziale Isolation mit sich bringt.
4. Das Leid des Todes
Der Tod ist unausweichlich und bringt eine tiefe existenzielle Angst mit sich. Wenn das Ende naht, löst sich das Leben allmählich auf. Selbst die Anwesenheit geliebter Menschen kann die Furcht vor dem Unbekannten nicht lindern, denn der Sterbeprozess muss allein durchlebt werden. Die Gedanken kreisen um verpasste Gelegenheiten und ungenutzte Möglichkeiten, etwa spiritueller Natur, die nun nicht mehr nachgeholt werden können. Besonders für jene, die in ihrem Leben keine spirituelle Praxis hatten, ist das Loslassen von materiellen Dingen und Bindungen schwierig.
Fazit: Das buddhistische Ziel des Ausstiegs aus dem Leid
Buddhismus lehrt, dass das Leben in diesen vier Stadien von Unzufriedenheit und Leid geprägt ist. Indem wir uns ständig der Vergänglichkeit bewusst sind, Dharma praktizieren und weltliche Anhaftungen innerlich loslassen, können wir uns besser auf diese unvermeidlichen Phasen vorbereiten, das Leid mildern und wahres Glück erlangen. Die Praxis des Dharma wird als der einzige wahre Begleiter angesehen, der uns durch diese Lebensphasen und darüber hinaus führen kann.
Quelle: Die Lehren von Patrul Rinpoche, „The Words of My Perfect Teacher“