Atisha, Gelug und Je Tsongkhapa
Ursprünglich bezieht sich „Kadampa“ auf die Kadam-Schule des tibetischen Buddhismus, die von dem indischen Meister Atisha im 11. Jahrhundert gegründet wurde. Diese Tradition betonte die Praxis von Lojong (Geistestraining) und die Stufen des Pfades zur Erleuchtung (Lamrim). Nach Atishas Tod entwickelte sich die Kadampa Tradition weiter und wurde später in die Gelug-Schule integriert, die von Je Tsongkhapa im 14. Jahrhundert gegründet wurde.
Kagyü und Gampopa
Die Integration der Kadam-Lehre in die Kagyü-Schule durch Gampopa ist ein weiterer bedeutender Punkt in der Geschichte des tibetischen Buddhismus. Gampopa (1079–1153), ein Schüler von Milarepa, war ursprünglich in der Kadampa Tradition ausgebildet.
Als Gampopa sich Milarepa zuwandte, um die Lehren des Mahamudra und die Sechs Yogas von Naropa zu erlernen, wurden auch die Kadam-Lehren in die Kagyü-Schule integriert.
Gampopa verband die klösterliche Disziplin und die systematischen Studien der Kadampa Tradition mit der yogischen Praxis und den tantrischen Lehren der Kagyü Tradition – dadurch entstand eigentlich erst die formale Gründung der Kagyü-Schule:
- Kadam-Einflüsse: Gampopa übernahm die ethischen und meditativen Praktiken der Kadam-Schule, insbesondere die Betonung auf die Entwicklung von Bodhichitta (der Erleuchtungsgeist) und die Geistestrainingstechniken, die darauf abzielen, selbstloses Mitgefühl und Weisheit zu entwickeln.
- Integration in Kagyü: Diese Kadam-Lehren wurden mit den Mahamudra-Lehren kombiniert, die Gampopa von Milarepa erhielt. Mahamudra, die „Große Siegel“-Lehre, ist zentral in der Kagyü-Schule und fokussiert auf die Natur des Geistes und direkte Erfahrung der Wirklichkeit. Gampopa schuf eine Synthese, in der die Kadam-Lehren als Vorbereitung und Grundlage für die höheren tantrischen Praktiken und Mahamudra dienten.
- Ergebnis: Diese Integration führte zur Entwicklung einer einzigartigen Lehrmethode in der Kagyü-Schule, die sowohl die disziplinierte, schrittweise Annäherung an die Erleuchtung der Kadampa Tradition als auch die direkten, oft als radikaler betrachteten Methoden des Mahamudra und der tantrischen Praxis umfasste.
Durch Gampopas Synthese der Lehren wurde die Kagyü-Schule nicht nur eine Trägerin der tantrischen Traditionen von Marpa und Milarepa, sondern auch der tiefgründigen ethischen und philosophischen Lehren der Kadampa Tradition, was die Kagyü-Praxis umfassender und für eine breitere Anhängerschaft zugänglich machte.
Nyingma
Die Kadam-Lehren haben auch die Nyingma Tradition des tibetischen Buddhismus auf verschiedene Weise beeinflusst, obwohl die direkte Integration nicht so klar dokumentiert ist wie in den Gelug- und Kagyü- Schulen.
Lehren, Praktiken und Texte wurden oft zwischen den Traditionen ausgetauscht. Obwohl Nyingma die älteste Schule ist und ihre Wurzeln in der ersten Verbreitung des Buddhismus in Tibet hat, gab es sicherlich Interaktionen mit den Kadam-Meistern und deren Lehren in späteren Jahrhunderten.
Es gab Lehrer, die in mehreren Traditionen bewandert waren oder Schüler, die Lehren aus verschiedenen Schulen studierten und integrierten. Diese Praktizierenden dienten als Brücken, durch die Kadam-Lehren in die Praxis und Lehren der Nyingma einfließen konnten.
Besonders die Lehren des Lamrim (Stufenweg zur Erleuchtung) und Lojong (Geistestraining), die von Atisha stark betont wurden, haben allgemein den tibetischen Buddhismus beeinflusst. Diese Konzepte und Praktiken fanden ihren Weg in viele Schulen, einschließlich der Nyingma, wenn auch vielleicht nicht in der strukturierten Form wie bei den Gelugpas, sondern eher in der spirituellen Praxis und Ethik.
Mit der Zeit wurden viele Lehren einfach Teil des allgemeinen buddhistischen Wissens in Tibet, sodass die Ursprünge weniger klar wurden und Lehren aus der Kadam-Tradition in die Praxis und das Studium der Nyingma-Praktizierenden einflossen, ohne dass es eine formelle „Übernahme“ gab.
Es ist wichtig zu verstehen, dass die Schulen des tibetischen Buddhismus nicht in Isolation existierten; es gab viel synkretisches Lernen und Lehren. Während die Nyingma Tradition ihre eigenen alten und einzigartigen Lehren bewahrt, hat sie auch von den neuen Übersetzungen und den damit verbundenen Schulen, wie der Kadam, profitiert.
Fazit
Die Kadampa Tradition prägte den tibetischen Buddhismus tief, indem sie Lehren wie Lojong und den Stufenweg zur Erleuchtung verbreitete. Diese Grundlagen flossen in die Gelug- und Kagyü-Schulen ein und bereicherten auch die Nyingma Tradition. Besonders durch Gampopas Synthese von Kadampa und Mahamudra entstand eine praxisorientierte Lehre, die Mitgefühl, Weisheit und ethische Disziplin in den Mittelpunkt stellte.
Zitat aus den Kadampa Lehren:
„Denke an den Tod, wie der Hirsch, der dem Jäger entkommt – so wirst du keinen Moment vergeuden.“
Kommentare
Eine Antwort zu „Welche Rolle spielt die Tradition der Kadampa im Buddhismus?“
[…] der Kadampa Tradition hieß es für die […]