ein Gedicht über das karmische Echo der Welt
I
Tod steht auf dem Schild hinter der Ecke links.
Ein Flüstern aus rostenden Kehlen,
dort, wo Zäune Gedächtnis fressen.
Eiserne Pferde stampfen dumpf
durch das Rückgrat der Lotosfelder.
Zugzwang.
Würfelspiel im Sargdeckel des Himmels.
Reiter tragen keine Namen mehr –
nur Ränge.
II
Verzerrte Fratzen schieben ihre Panzer aus Gier und Unwissenheit.
Ein Auge blinzelt im Fernrohr.
Das andere –
blickt nicht.
Verloren
in der Wiederkehr der Trommeln,
zieht das Schicksal seine Spirale
durch Staatenhirne.
Wer betet noch
für die, die den Abzug drücken?
III
Ein Meer tropft rot
in die Lotosherzen der Ahnungslosen.
Dort,
wo die Seelen sich nicht erinnern –
nur treiben.
Flugdrohnen sinken
wie gefallene Möwen
ohne Nest,
ohne Wind,
ohne Sangha.
IV
Wunden des Karmas
blühen auf der Haut der Wanderer.
Ihre Mantras
sind Bruchstücke
aus Propaganda und Waffenruhe.
Sie suchen ein Ufer –
aber das Samsara
kennt keine Küste.
V
Die Tüchtigkeit der Länder
misst sich in Gräbern.
Mütter –
gebeugt über Erinnerungen
wie Mönche über Manuskripten,
die niemand mehr liest.
Kinder –
tragen Helme aus Handys.
Spielen Krieg,
weil der Frieden keine Bilder hat.
VI
Er markiert sich den Saum seines Gewandes.
Fasern aus Angst und Funktion.
Sie führen ihn
durch den Wald
zur Niewiederkehr.
Dort
stehen die Bäume
und flüstern:
Auch du warst Kind.
Auch du hast geweint.
Warum hast du vergessen?
VII
Im Rauch eines Tempels
liegt ein halbverglühter Wunsch:
Mögen alle Wesen frei sein.
Aber die Räder
drehen sich weiter.
Wer hält das Rad an,
wenn der Fahrer
vergessen hat,
dass er schläft?
© 22.06.2025 Chris Nivata – Alle Rechte vorbehalten.
Meditativer Kommentar zu „Kriegsgewirr“
Kein Bericht, kein Aufruf und kein Urteil.
Es ist ein Spiegel – geschwärzt vom Rauch der Geschichte,
durchzogen vom Wind karmischer Wiederkehr.
Die Bilder sind fragmentarisch, wie das Bewusstsein einer Welt,
die sich selbst nicht mehr spürt.
Hier rollen keine Panzer – sondern eiserne Pferde.
Hier sterben keine Menschen – sondern Namen, die vergessen wurden, bevor sie gesprochen waren.
Doch zwischen den Zeilen liegt etwas, das nicht vergeht:
die stille Frage, wer wir sind,
wenn wir unsere Rollen, Ränge und Systeme ablegen.
Vielleicht ist der tiefste Protest nicht der Schrei,
sondern das Erinnern.
Die Rückkehr zur Empfindung.
Die leise Erkenntnis,
dass alle Wesen – auch die Täter – leiden.
Im Mahayana Buddhismus heißt es, ein Bodhisattva trägt das Leid der Welt,
ohne in Bitterkeit zu verfallen.
Dieses Gedicht ist ein Schritt in diese Richtung –
nicht um zu erklären,
sondern um zu verweilen.
Im Schatten der Bäume,
die uns flüsternd erinnern,
dass auch wir einst Kinder waren.
Nivata

