Historische Sicht
Buddha Shakyamuni, auch bekannt als Siddhartha Gautama, ist eine der bedeutendsten historischen Persönlichkeiten und der Begründer des Buddhismus. Er wurde etwa im 5. oder 6. Jahrhundert v. Chr. in Lumbini (im heutigen Nepal) geboren. Als Prinz wuchs er im Überfluss auf, doch das Leid der Menschen ließ ihn nicht los. Mit 29 Jahren verließ er sein königliches Leben und suchte nach einem Weg, das Leiden zu überwinden.
Nach Jahren der asketischen Praxis und Meditation erlangte Siddhartha unter dem Bodhi-Baum in Bodh Gaya die Erleuchtung und wurde zum Buddha, was „der Erwachte“ bedeutet. In den folgenden 45 Jahren wanderte er durch Nordindien und lehrte den Weg zur Befreiung vom Leiden, den sogenannten „Mittleren Weg“. Er starb im Alter von etwa 80 Jahren in Kushinagar, wo er ins Parinirvana einging.
Aus Sicht des Theravada
Im Theravada-Buddhismus, der vor allem in Sri Lanka, Thailand, Myanmar und Laos verbreitet ist, wird Buddha Shakyamuni als der vollendete Lehrer verehrt, der den Weg zur Befreiung vom Daseinskreislauf, dem Samsara, aufgezeigt hat. Im Theravada wird großer Wert auf die ursprünglichen Lehren des Buddha gelegt, wie sie im Pali-Kanon überliefert sind.
Buddha Shakyamuni wird hier nicht als Gott verehrt, sondern als außergewöhnlicher Mensch, der durch eigenes Bemühen die höchsten geistigen Fähigkeiten entwickelte. Der Weg, den er lehrte, besteht aus Ethik (Sila), Meditation (Samadhi) und Weisheit (Pañña). Im Theravada liegt der Fokus auf der persönlichen Befreiung, der Erreichung des Nirvana, durch die eigene Praxis und das Verständnis der vier edlen Wahrheiten und des edlen achtfachen Pfades.
Aus Sicht des Zen
Im Zen-Buddhismus, der besonders in Japan und China populär ist, wird Buddha Shakyamuni als der erste Patriarch angesehen, der die Zen-Tradition ins Leben rief. Im Zen wird die historische Figur des Buddha oft als Symbol für den erwachten Geist betrachtet, den jeder Mensch in sich tragen kann.
Die Zen-Praxis betont die direkte Erfahrung und die unmittelbare Erkenntnis, frei von dogmatischen Lehren und intellektuellem Verständnis. Der Zen-Weg führt durch Meditation (Zazen), Koan-Studium und die Aufrechterhaltung eines Bewusstseins im Alltag. Buddha Shakyamunis Erleuchtung unter dem Bodhi-Baum wird im Zen als Beispiel für den Moment der plötzlichen Erkenntnis (Satori) betrachtet, bei dem man die wahre Natur der Wirklichkeit unmittelbar erkennt.
Aus Sicht des tibetischen Buddhismus
Im tibetischen Buddhismus, der in Tibet, Bhutan, der Mongolei und Teilen Nepals und Indiens verbreitet ist, wird Buddha Shakyamuni als eine von vielen Manifestationen des Buddha-Prinzips betrachtet. Neben Shakyamuni gibt es im tibetischen Buddhismus zahlreiche andere Buddhas und Bodhisattvas, die verschiedene Aspekte des erwachten Geistes verkörpern.
Buddha Shakyamuni wird hier sowohl als historischer Lehrer als auch als ein Aspekt des universellen Buddha-Prinzips verehrt. Seine Lehren bilden die Grundlage für die vielfältigen Praktiken des tibetischen Buddhismus, die von tantrischen Ritualen über Visualisierungsübungen bis hin zu tiefgründigen philosophischen Studien reichen. Besonders bedeutend ist die Vorstellung, dass Buddha Shakyamuni den Weg für die Übertragung des tantrischen Pfades (Vajrayana) vorbereitet hat, der im tibetischen Buddhismus eine zentrale Rolle spielt.
Im tibetischen Buddhismus wird Buddha Shakyamuni auch als Vorbild für den Bodhisattva-Pfad betrachtet, bei dem das Ziel nicht nur die persönliche Befreiung, sondern auch die Befreiung aller fühlenden Wesen ist. Seine Lehren werden durch den Einsatz von Mantras, Mandalas und Meditationen auf diverse Buddha-Aspekte weiter vertieft.
Fazit
Buddha Shakyamuni wird in verschiedenen buddhistischen Traditionen auf unterschiedliche Weise betrachtet, doch alle vereinen sich in der Anerkennung seiner grundlegenden Rolle als der Begründer des Buddhismus und als derjenige, der den Weg zur Überwindung von Leid und Unwissenheit aufzeigte. Ob als historischer Lehrer, als Vorbild auf dem Weg zur Erleuchtung oder als eine Manifestation des Buddha-Prinzips – Buddha Shakyamuni bleibt eine zentrale Figur, die die Vielfalt und Tiefe des Buddhismus prägt.